Veröffentlicht im Magazin "Cruise Liner in Hamburg erleben"

Seil-Tanzen

"Die Tanzfläche muss brennen!!!" ­ Was nach dem Ausruf eines Pyromanen klingt, stellt sich als Anfeuerungsversuch heraus: Choreograph Laris Gec will europäischen Tänzerinnen so etwas wie brasilianisches Feuer entlocken. Wir sind bei SeeLive Tivoli in der Seilerstraße, und heute geht’s um den künstlerischen Nachwuchs und deren Aufnahme auf die AIDA-Flotte. Aha, werden jetzt alle sagen, die das Schiff ãmit dem Lächeln“, die AIDAdiva, im Hamburger Hafen erlebt haben.

SeeLive ist Teil einer Dreierbeziehung, eines so genannten Joint Venture: mit Schmidt’s Tivoli und der Reederei AIDA Cruizers ­ klar, was die sich auf ihre Fahnen geschrieben haben. Sitz ist eine alte Grundschule auf dem Hamburger Kiez, wo es hinter der Gründerzeit-Fassade glitzern und showbizzeln darf. Das Unternehmen mit dem symbolträchtigen Namen sorgt für das Wohlergehen von Tausenden von Passagieren und verknüpft Kultur mit Kurzweil und Glamour für das Leben an Bord.

Dazu ist man in der Seilerstraße von Dach bis Keller auf Bühnenwirksamkeit eingestellt, passend zur Mitmieterin, der Hamburg School of Entertainment. Zwischen Flügel, Flitter und Fundus arbeiten die unterschiedlichsten Branchen auf vier Etagen, wo für die professionellen Shows auf hoher See fast alles hausgemacht wird: Profis entwickeln Darbietungen analog zum Reiseziel - hier wird auf höchstem Niveau organisiert und produziert.

Hinunter zum "Brennpunkt" ins Souterrain. Ein Drittel von etwa hundert auserwählten Bewerbern ist zur "Audition" erschienen. "Das ist normal", sagt Erick Pesqueira, Supervisor of Casting und als "Talente-Fischer“ tätig - nomen est omen, sein portugiesischer Name passt ganz wunderbar. Und er muss reichlich fischen für die expandierende AIDA-Flotte. Gesucht werden Solisten und Allrounder, bei einem Netz mit groben Löchern. Er hat auch ein paar "Call-backs“ angeschrieben, Darsteller, die bereits ihre Talente gezeigt haben. "Allrounder zu werden ist anspruchsvoll“, erzählt er, dafür sollten sowohl tänzerische, also auch gesangliche und darstellerische Fähigkeiten vereint sein. So etwas sei "ein Einstieg ins Musical-Geschäft, für Schulabgänger eine Superchance“, ergänzt Ursula Maile, Manager Show & Live Performance.

Die Karten sind gemischt und liegen, akribisch mit Foto und Notizen versehen, auf dem Tisch vor den Juroren. Nach Vermessung, Dehnung und Warming-up wartet also ein Pulk von achtundzwanzig Bewerbern im Souterrain: Der große Tanzraum wird von antiken Riesenfenstern und großem Spiegel dominiert, ein vielsprachiges Gemurmel lässt Spannung ahnen. Nur sechs Männer? "Tja, Stichwort Billy Elliot“, meint Show Assistant Dirk Volke ãeine gute Quelle für männliche Darsteller ist Russland, wo es diesen Exotenstatus nicht gibt.“ Die Auserwählten werden bereits vor dem Abschluss genommen, ãweil sie bei uns weiter für die Praxis ausgebildet werden“. Heute also ohne Russen.

Nun aber: "Live up your spirit!- zeigt eure Kunst!“ Laris Gec macht’s tänzelnd vor, schwingt mit elastischen Trippelschritten graziös die Hüften. "One two three four five and six and seven ­ Drehung und back“. Nun der Nachwuchs. Laris kritisiert, lächelt verschmitzt, motiviert auf deutsch oder englisch. Nach "Trockenübungen” dann mit Musik zum Salsa- und Latino-Sound. Zunächst wird in großen, dann in kleinen Gruppen getanzt und formiert - Improvisationen erwünscht.

Jetzt einzeln. "Brigitte! - ah, Brischiiit, you are French?“, dann Nana, Denise, Natalie. "Denise don’t be shy, it’s nothing to loose! - nicht so schüchtern, Du hast nix zu verlieren“, macht er Mut. Bei den Männern sieht’s akrobatischer aus, sie springen, grätschen, lassen sich fallen. "Klaus control your body!“ ruft der Choreograph dem Dänen zu, dessen darstellerisches Talent so richtig erst beim späteren Vorsingen erkennbar wird. "Move, move, move!“, ruft Laris mit verdrehten Augen.

Nach etwa zwei Stunden Tanzen wie am Schnürchen sind die Karten neu gemischt. "Es reicht mir noch nicht, schön brav weiter machen!“, damit werden fünf junge Damen aussortiert. Darunter die mollige Samira, die das " nicht so schlimm“ findet, "ist halt ne schöne Tanzstunde“, sie arbeitet derzeit in einem Musical.

Nach zwei weiteren Stunden ab in den zweiten Stock zum Vorsingen mit Klavierbegleitung. Nach gemeinsamen Übungen, muss Stimmlage, Harmonie, Stil und Intonation einzeln bewiesen werden ­ mit unterschiedlichen Songs im Gepäck. Musikalischer Leiter Richard Kula hört aufmerksam zu, unterbricht, um begleitend Tonlagen zu probieren. Sein besonderes Augenmerk gilt der Fähigkeit differenzieren zu können, häufig bittet er um die Kopfstimme. Lily kommt aus Argentinien mit Berliner Freund ­ ob der sie wohl auf dem Klavier begleiten darf? "Kein Problem“, sagt Kula, und nach "I’m Lost in Yesterday“ findet er, dass "sie mit ihrer Stimme arbeiten und etwas entwickeln“ kann. Charisma und Glamour hat sie auch.

Acht Darsteller haben vor fünf strengen Augen- und Ohrenpaaren der Juroren bestanden, sind also im Netz gelandet, darunter auch die drei "Call-backs“. Allen winkt ein Vertrag, der von der Reederei ausgestellt wird. Nach diesem "Seiltanz“ wird entschieden, wer auf welche Bühne passt - das gläserne Theatrium der Diva ist die größte und anspruchsvollste. Dann der Feinschliff mit sieben Wochen Disziplin für’s Showeinspiel ­ und ab in die Welt, aber bitte mit dem "göttlichen“ Lächeln.

 

 

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